veröffentlicht am 12. April 2019

Die Schweiz im Klima-Schwitzkasten – Wie bauen und betreiben wir unsere Gebäude in Zukunft?

Veranstaltung
Die Schweiz im Klima-Schwitzkasten – wie bauen und betreiben wir unsere Gebäude in Zukunft?

Veranstalter
SWKI, die Planer in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern (HSLU), dem Netzwerk der Energieingenieure Alenii und der Berufsgruppe Technik des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA BGT)

Partner
BELIMO Automation AG, Bundesamt für Umwelt (BAFU), EnergieSchweiz, Energie 360°

Datum
Freitag, 12. April 2019

Ort
Hochschule Luzern – Wirtschaft

Der Sommer 2018 machte es bewusst: Der Klimawandel ist eine Tatsache. Dieser Herausforderung sieht sich auch der Schweizer Gebäudepark gegenüber. Planung, Bau und Betrieb sollten dazu beitragen, dass der Überhitzung von Gebäuden entgegengewirkt werden kann. Am Passerelle Workshop in Luzern kamen sieben führende Experten aus unterschiedlichen Disziplinen zusammen und boten den 150 Teilnehmenden neue Betrachtungsweisen zu diesem Thema.

Je nach Region und Zukunftsszenario ist hierzulande bis zum Ende dieses Jahrhunderts mit einer Temperaturzunahme von 3 bis 5 Grad Celsius zu rechnen. Diese Entwicklung beeinflusst den Gebäudepark Schweiz fundamental. In Zukunft werden wir im Winter weniger heizen, im Sommer hingegen stärker kühlen müssen. Klimaanlagen können der Überhitzung in Wohnräumen entgegenwirken, doch ihr Stromverbrauch belastet die Umwelt zusätzlich. Besser wäre es, Gebäude so zu konzipieren, dass sie den Folgen der Klimaerwärmung standhalten. Wie kann dies umgesetzt werden und wo müssen dazu rechtliche, politische oder ökonomische Rahmenbedingungen angepasst werden?

Veranstaltung stösst auf grosses Interesse

Zum Anlass am 12. April 2019 in Luzern lud der Verein Schweizerischer Gebäudetechnik-Ingenieure (SWKI, die Planer) in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern (HSLU), dem Netzwerk der Energieingenieure Alenii und der Berufsgruppe Technik des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA BGT). In zwei Blöcken wurden neue Erkenntnisse und Ideen vorgestellt und im Anschluss auf dem Podium diskutiert. Die Veranstaltung war mit dem topaktuellen Thema sehr gefragt und nahezu ausgebucht.

SWKI neu als Die Planer

Begrüsst wurden die rund 150 Teilnehmenden von Ivan Gattlen, Vorstandsmitglied und Delegierter Öffentlichkeitsarbeit SWKI, die Planer. Bei dieser Gelegenheit präsentierte sich der SWKI mit neuem Namen und in neuer Erscheinung. Unter dem Namen “Die Planer – Netzwerk für Energie, Umwelt und Gebäudetechnik” bringt der Verein Fachleute aus den Bereichen Gebäude-, Umwelt- und Energietechnik zusammen. Auch Daniel Marti von Alenii, dem Netzwerk der Energieingenieure, begrüsste die Teilnehmenden und gab einen kurzen Einblick in die Tätigkeit von Alenii, bevor das Programm offiziell startete.

Die Schweiz schwitzt in Zukunft noch stärker

Block eins setzte den Fokus auf die aktuellen Erkenntnisse aus der Wissenschaft. Denise Fussen startete die Runde mit den neuesten Erkenntnissen zu der aktuellen und zukünftigen Klima-Situation in der Schweiz. Im Herbst 2018 erschien die neueste Ausgabe der Klimaszenarien für die Schweiz, welche trockenere Sommer, heftigere Niederschläge, mehr Hitzetage und schneeärmere Winter prognostizieren. Alle diese Faktoren beeinflussen auch den Gebäudepark Schweiz und fordern zu Handlungsmassnahmen am und rund um das Gebäude auf.

Handlungsmassnahmen sind bekannt

Konkrete Massnahmen wurden dann auch gleich im Folgereferat von Thomas Stoiber aufgezeigt. Er präsentierte das Klimamodell des Kantons Zürich, in welchem diverse Aspekte wie die Wärmebelastung bei Tag und Nacht oder Anzahl Tropennächte für den gesamten Kanton anschaulich modelliert und entsprechende Zukunftszenarien gezeichnet wurden. Darauf basierend lassen sich diverse Massnahmen zur Minderung der Hitzebelastung ableiten, beispielsweise natürliche Kaltluftströme in der Planung von Gebäuden mit einzubeziehen, Grünanlagen zu fördern und Rücksicht auf bewegte Wasserflächen zu nehmen. Dies alles sind wirksame Aspekte, um hohen Temperaturen in städtischen Gebieten entgegenzuwirken.

Planen angesichts des Klimawandels

Wie sich die prognostizierten höheren Temperaturen auf die Raumtemperatur und einzelne Gebäude auswirkt, behandelte Gianrico Settembrini in seinem Referat. In der Studie, welche er präsentierte, simulierte man den Einfluss des Klimawandels auf den Gesamtenergiebedarf und die Behaglichkeit bei Wohnbauten. Zudem suchte man die massgeblichen Faktoren, welche diese beeinflussen. Die entscheidenden Parameter lagen einerseits beim Entwurf und der Planung der Gebäude sowie deren geografischer Lage. Ein wichtiger Faktor spielen aber auch die Nutzer und deren Verhalten, wie man in der Studie klar sehen konnte. Automatisierte und intelligente Systeme bringen nur den gewünschten Effekt, wenn sie auch sachgerecht bedient werden. Die Frage, die am Ende des Referates im Raum stand, lautete somit: Gibt es den “idealen” Nutzer?

Auch die Gesundheit fordert komfortable Raumtemperaturen

Die Bedeutung eines zu heissen Raumklimas für das Individuum wurde anschaulich im Expertinnen-Interview mit Martina Ragettli aufgezeigt. Die Auswirkungen zu hoher Temperaturen für den menschlichen Körper können verheerend sein, vor allem bei Risikogruppen wie älteren oder kranken Personen. Auch Räume, welche zu stark künstlich gekühlt werden, stellen keine Lösung dar sondern sind oftmals genauso problematisch für den Organismus. Ein angenehmes und gesundes Raumklima zu schaffen, wurde auch aus der Sicht der Gesundheitsexpertin als unbedingte Notwendigkeit bestätigt.

Evidenzbasiertes Konzipieren als Lösungsansatz

In Block zwei wurden konkrete Ansätze für Lösungsmassnahmen aus der Praxis vorgestellt – aus Planung, Bau und Betrieb. Den Anfang dabei machte Arno Schlüter, welcher vier Ansätze präsentierte, wie man konkrete Lösungsmassnahmen finden und umsetzen kann. Städteplanung und Gebäudemodellierung evidenzbasiert zu vollziehen und sich auf vorliegende Daten zu stützen, kann zentral sein, um nachhaltig und klimaangepasst zu konzipieren. Auch konkrete Massnahmen wie das Entwickeln von adaptiven Gebäudehüllen wurde vorgestellt. Wiederum stand am Schluss des Referates der Nutzer im Fokus: gezieltes Analysieren, wie dieser das Gebäude bedient und nutzt, ist essentiell, um in Zukunft noch angepasster planen zu können.

Der Nutzer als Schlüssel

Weitere Beispiele präsentierte Sebastian El Khouli, welcher eine Auswahl an abgeschlossenen Projekten vorstellte, die eine klimaangepasste und nachhaltige Bauweise anstrebten. Lüftung und Heizung, Materialien und Fassadenkonzept, Raumanordnung, Sonnenschutzmassnahmen und Isolation – dies alles wurde berücksichtigt. Und doch gab es auch in diesen Projekten Stolpersteine und gewisse Gebäude konnten ihren Zweck nicht komplett erfüllen. Die Erklärung dafür führte einmal mehr an diesem Nachmittag zum Nutzer. Auch wenn die Planung ihren Teil dazu beiträgt: Ausschlaggebend für die klimaangepasste Funktionalität eines Gebäudes ist, wie der Nutzer damit umgeht.

Für wen bauen wir Gebäude?

Den Abschluss des zweiten Blocks bildete das Referat von Wolfgang Kessling, der spannende Einblicke aus seiner langjährigen Erfahrung in tropischen und mediterranen Gebieten teilte und seine Erkenntnisse daraus vermittelte. Die zentrale Frage, welche daraus hervorging: Für wen bauen wir denn Gebäude eigentlich? Kessling plädierte für eine neue Perspektive auf das Planen von Gebäuden, damit der Endnutzer wieder mehr im Fokus steht und das Bedienen eines Gebäudes eingängiger und selbstverständlicher wird. Natürliche Gegebenheiten mit einzubeziehen und wieder näher an der Natur zu planen und zu bauen – dies sieht er als essentiellen Bestandteil für ein klimaangepasstes Gebäude.

Der Nutzer im Zentrum

Wiederholt wurde also der Nutzer eines Gebäudes ins Zentrum der Diskussion gestellt. Der ideale Nutzer, der ein intelligentes System wie geplant bedient – gibt es diesen wirklich? Oder sollten wir nicht viel mehr wieder auf ursprüngliche, vereinfachte und eingängige Systeme setzen und im Einklang mit den lokalen Gegebenheiten arbeiten? Diese spannenden Perspektiven wurden während der Networking Break und dem anschliessende Apéro von den Teilnehmenden rege diskutiert.