Ein wichtiger Pfeiler der Energiestrategie 2050 ist die Energieeffizienz. Durch effiziente Gebäudetechnik liessen sich mindestens 40% der Treibhausgasemissionen und 15% des Energieverbrauchs einsparen. Zielführende Fortschritte verspricht sich die Branche durch die Digitalisierung. Am Freitag, 08. April 2016 diskutierten in Luzern führende Fachleute aus Forschung und Praxis die Chancen, welche digitales Planen, Bauen und Betreiben der Energiezukunft bietet.
Zum achten Mal organisierten der SIA Fachverein Gebäudetechnik und Energie (SIA FGE), die Hochschule Luzern – Technik & Architektur sowie das Netzwerk der Energieingenieure Alenii den «Passerelle Workshop» in Luzern. Der Workshop stiess mit über 160 Teilnehmenden auf hohes Interesse und ermöglichte erstmals eine Synthese der beiden topaktuellen Megatrends Digitalisierung und Energieeffizienz. Urs-Peter Menti von der Hochschule Luzern führte als Moderator durch den Nachmittag.
Energieeffiziente Gebäudetechnik im Fokus
Markus Weber, Präsident des SIA FGE, nutzte seine Begrüssung, um die Teilnehmenden auf die entscheidende Rolle der Gebäudetechnik aufmerksam zu machen. Schnelle Fortschritte erhofft er sich durch die vierte industrielle Revolution: «Die Digitalisierung schafft mehr Transparenz, vernetzt Menschen und Technologien, was energieeffiziente Lösungen begünstigt.»
Energieingenieur in der Schlüsselrolle
Anschliessend hiess Daniel Marti die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops auch im Namen des Netzwerks der Energieingenieure Alenii herzlich willkommen. Als Präsident der Interessensgemeinschaft der Absolventen des MAS Studiengangs Energieingenieure Gebäude, wies er auf die Schlüsselrolle der Energieingenieure hin, da diese Energieeffizienz und Digitalisierung gewerkeübergreifend zusammenbringen.
A fool with a tool is still a fool
Frank Thesseling, Geschäftsführer KEOTO AG, eröffnete den inhaltlichen Teil des Workshops und zeigte anhand konkreter Beispiele, wie die Digitalisierung die Planung von Gebäuden verändert. Durch digitale Instrumente wie BIM lässt sich bereits in einer frühen Phase die Komplexität einer Planung organisieren. Doch nur eine Software runterzuladen genüge noch nicht: «Die Baubranche muss jetzt Erfahrungen im digitalen Bauen sammeln, denn a fool with a tool is still a fool».
Das Gebäude als Smart-Phone denken
Die Sicht des Unternehmers und Investors erklärte Balz Halter, Verwaltungsratspräsident Halter AG, indem er die Möglichkeiten einer digitalen Gebäudeinfrastruktur aufzeigte und seine persönliche Vision der digitalisierten Versorgung darlegte. «Auf der Basis digitaler Gebäudeinfrastrukturen werden viele neue, cloud-basierte Angebote entstehen, welche die Energieeffizienz erhöhen, den Komfort verbessern und die Energiekosten senken werden». Somit werden die Gebäude immer mehr zu einem Smart-Phone. «Anstatt den Elektriker zu holen, kann man in Zukunft einfach ein Update machen», sagte Halter voraus.
Gebäude programmieren
Volkmar Hovestadt, CEO digitales bauen GmbH, erläuterte die Veränderungen und Vereinfachungen der Planungsprozesse durch Building Information Modeling (BIM) und legte dabei den Fokus auf Baukastensysteme. Er verglich Planung mit Programmierung. «Modulares Bauen ist unser Ansatz zum Programmieren», erklärte Hovestadt. «Die Methoden des Softwaredesigns werden in den Planungsprozess übertragen, dadurch wird der Bauprozess rationeller und womöglich gar kreativer.»
Nach den drei Impulsreferaten kam es zur ersten Podiumsdiskussion mit Markus Weber, Frank Thesseling, Balz Halter und Volkmar Hovestadt. Für jeden auf dem Podium war klar, die Digitalisierung macht auch in der Baubranche nicht halt. Mit BIM zeigt sich das schon seit mehreren Jahren, doch die Veränderungen werden noch zunehmen. So erklärt Balz Halter, dass es bei BIM um «die ganze Wertschöpfungskette geht». Zwar sind die Planer im Moment mehr gefordert, da sie BIM als Erste testen, fügte Weber an, doch wird man bis zum Facility Management profitieren können. Dafür brauche es auf jeden Fall ein Umdenken in der Planungskultur, forderte Hovestadt.
To BIM or not to BIM?
Als interner Projektleiter Neubauten im Felix Platter-Spital veranschaulichte Jean-Luc Perrin die Rolle der Bauherrschaft in Zeiten der digitalen Transformation. Der Facility Manager unterstrich vor allem die zunehmende Bedeutung integraler Aussagefähigkeit der eingereichten Projekte. Nur mit BIM als Konzept und Methode sind die Dokumentationen integral und von allen Beteiligten anwendbar, ist Perrin überzeugt und beendete sein Referat mit mahnenden Worten: «Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.»
Chance oder Risiko für die Architektur?
Architekt Lorenz I. Zumstein, Mitglied der Geschäftsleitung bei jessenvollenweider architektur ag, erläuterte die Rolle der beiden Megatrends für die Praxis und zeigte die Chancen und Risiken für die Architektur auf. So können eindimensional gelenkte, energetische Sanierungen in extremis Raubbau an der Baukultur bedeuten und die drei Architektur Gebote Firmitas (Festigkeit), Utilitas (Nützlichkeit) und Venustas (Schönheit) in Schieflage bringen. Doch Risiken schliessen nicht die Chancen aus: «Digitales Bauen bringt eine neue Form des Handwerks zurück in die Baukultur und BIM stärkt die Rolle des Architekten als Generalisten. Im besten Fall ist die Digitalisierung ein Katalysator der Energieeffizienz», erklärte Zumstein.
Wollen Sie in 5 Jahren noch so arbeiten wie heute?
Marco Waldhauser, Mitinhaber WALDHAUSER + HERMANN AG, blickte ebenfalls auf das konkrete Verhältnis zwischen BIM und Energieeffizienz. Der Gebäudetechnikingenieur betonte aber, dass die Energieeffizienz in erster Linie mit dem Ingenieurswissen zusammenhängt. Die Digitalisierung helfe aber beim Energieeinsparen durch Sensibilisierung des Endverbrauchers: «Durch die neuen Möglichkeiten der Analyse, ist der Energieverbrauch transparenter.»
In der anschliessenden zweiten Podiumsdiskussion fragte sich Perrin, warum nicht schon mehr öffentliche Bauherren mit BIM geplante Projekte einfordern. «Wenn es stimmt, dass mit BIM geplante Projekte 15% weniger kosten, dann verschleudern diese Bauherren Steuergelder.» Waldhauser wies darauf hin, dass man bei Kostenvergleichen vorsichtig sein sollte, da man erst Beispiele aus dem Ausland kennt. Wieviel günstiger sich mit BIM in der Schweiz tatsächlich bauen lässt, wird sich erst noch zeigen, da die ersten BIM geplanten Gebäude noch fertiggestellt werden müssen. Im Grundsatz war man sich auf dem Podium einig: das Potential digitaler Methoden für die Energieeffizienz ist gross und ist in den nächsten Jahren Schritt für Schritt zu nutzen. Am Ende der Podiumsdiskussion machte Architekt Lorenz I. Zumstein das Publikum darauf aufmerksam, dass man jetzt die Best-Practice-Methode herausfinden müsse. Dabei gibt es nur einen Weg: Learning by Doing.
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EnergieSchweiz, Schweizerischer Verein von Gebäudetechnik-Ingenieuren SWKI, energie360°, BELIMO, ALPIQ, AMSTEIN+WALTHERT