veröffentlicht am 7. April 2017

Performance Gap im Schweizer Gebäudepark: Wie erreichen wir die geplante Energieeffizienz?

Workshop
Performance Gap im Schweizer Gebäudepark

Veranstalter
Fachverein Gebäudetechnik und energie (SIA FGE),
Schweizerischer Verein von Gebäudetechnik-Ingenieuren (SWKI), Hochschule Luzern – Technik & Architektur, Alenii

Datum
Freitag, 07. April 2017

Ort
Hochschule Luzern – Soziale Arbeit

Geplante Effizienzwerte werden oft nicht erreicht. Das ist ernüchternd und eine Herausforderung für die ganze Branche. Dieser Performance Gap – die Differenz zwischen den Zielgrössen aus der Planung und den Messwerten im Betrieb – zeigt ein grosses Potenzial für Energieeffizienz, das es nun rasch zu erschliessen gilt. Wie gelingt uns das? Am Freitag, 07. April 2017, diskutierten Schweizer Meinungsführer dieses topaktuelle Thema.

Zum neunten Mal organisierten der Fachverein Gebäudetechnik und Energie (SIA FGE), der Schweizerische Verein von Gebäudetechnik-Ingenieuren (SWKI), die Hochschule Luzern – Technik & Architektur und das Netzwerk der Energieingenieure Alenii den «Passerelle Workshop» in Luzern. Der Workshop stiess auf grosses Interesse und war mit rund 180 Teilnehmern komplett ausgebucht. Urs-Peter Menti von der Hochschule Luzern führte als Moderator durch den Nachmittag.

Zukunftsmarkt Energie

Begrüsst wurden die Teilnehmer von Markus Weber, Präsident des SIA FGE, Elmar Fischer, Präsident SWKI und Daniel Marti, Präsident Alenii. Alenii ist das Alumni-Netzwerk des Ausbildungsgangs «MAS Energieingenieur Gebäude», welcher den Rahmen der Veranstaltung bildet. Am Dienstag, 13. Juni 2017 findet in der Hochschule Luzern – Technik & Architektur ein Informationsabend zum Studiengang statt.

Verstärkte Sensibilisierung notwendig

Olivier Meile, Bereichsleiter Gebäudetechnologie beim Bundesamt für Energie, eröffnete den inhaltlichen Teil des Workshops und präsentierte die Resultate einer repräsentativen Erfolgskontrolle von Minergie Gebäuden. Dabei zeigte sich, dass Einfamilienhäuser die energetischen Anforderungen besser einhalten als Mehrfamilienhäuser. Grund dafür könnte laut Meile sein, dass die Bauherren der Einfamilienhäuser selber besser auf Energieeffizienz sensibilisiert sind. Bei Mehrfamilienhäusern legen die Betreiber die Grundeinstellungen fest und die Nutzerinnen und Nutzer haben nur einen geringen Einfluss. Für die Verminderung des Performance Gaps empfiehlt Meile eine Verschärfung der Anforderungen an die Inbetriebsetzung und Übergabe von Gebäuden sowie eine bessere Sensibilisierung sowohl der Nutzenden/Mietenden als auch der Betreibenden und der Haustechnikdienste.

Kontinuierliche Energiedatenerfassung als Erfolgsfaktor

Für Markus Koschenz, Leiter Prime der Impenia Schweiz AG, ist Energie ein strategisches Thema. Nur wenn das Energiemanagement Teil des Managementprozesses sei, komme man zum Erfolg. Als weitere Erfolgsfaktoren nannte er in seinem Referat die kontinuierliche Überwachung der Grenzwerte während allen Phasen und eine umgehende Behebung von technischen Problemen. Überdies solle man sich neue Technologien wie Datenübermitt-lung via Funk oder Data Mining zu Nutze zu machen. «Jedes Gebäude muss über eine Energiedatenerfassung verfügen. Das gehört dazu, wenn wir eine Energiestrategie verfolgen», zog Koschenz sein Fazit.

Phasenübergreifendes Denken wichtiger denn je

Andreas Meyer, Geschäftsleiter Minergie, stellte in seiner Präsentation unter anderem die These auf, dass ein energieeffizienter Betrieb Illusion bleibe, solange es keine wirtschaftlichen Anreize und Komfortgewinn gäbe. Meyer brachte den Teilnehmern ausserdem die neuen Standards MQS Bau und MQS Betrieb näher, mit welchen Minergie den Performance Gap vermindern, respektive vermeiden will. Zum Schluss seiner Präsentation betonte Meyer, dass Phasenübergreifendes Denken wichtiger denn je sei und Gebäudelabel mit einer neutralen Qualitätssicherung allen an Planung, Bau und Betrieb Beteiligten eine optimale Orientierung biete.

Baukultur als Anwort

Nach den drei Impulsreferaten diskutierten die Referenten unter der Gesprächsleitung von Menti die Herausforderungen des Performance Gaps auf dem Podium. Auf die Frage hin, wo denn nun die Lösungen und damit das Potenzial liegen, antwortete Koschenz: «Es wäre falsch zu meinen, dass wir den Performance Gap alleine mit neuen Technologien vermeiden können. Wenn wir wieder besser planen, wird der Performance Gap von sich aus kleiner. Und dann haben wir eine gute Zukunft vor uns.» Das grosse Potenzial liege also weder in neuen Technologien, noch in Werkzeugen oder Prozessen, sondern viel mehr in der Baukultur. «Wer Energie optimiert, soll dafür eine Wertschätzung erhalten – sonst passiert nichts», so Koschenz.

Integrale Sichtweise pflegen

Den zweiten Block eröffnete Dimitrios Gyalistras, Inhaber und Geschäftsleiter der Synergy BTC AG. Bei seiner Einführung merkte Menti an, dass er den Begriff «Performance Gap» zum ersten Mal vor sieben Jahren von Gyalistras gehört habe. Gyalistras erklärte in seinem Referat, dass er den Fokus auf die Energie im Performance Gap gut finde, betonte jedoch, dass für eine umfassende Analyse drei miteinander zusammenhängende Gaps gleichzeitig betrachtet werden sollen: 1. Indoor Environment Gap, 2. Operating Expenses Gap und 3. Energy Performance Gap.

Überwachung der energetischen Performance

Frederic Renier, Bereichsleiter Energiecontrolling und Nebenkosten Enastra AG, erläuterte in seinem Referat an konkreten Beispielen das Potenzial von Energiecontrolling. Die junge Disziplin biete unter anderem Transparenz, lege das Potenzial für Betriebsoptimierung offen und deklariere energetisch relevante Fehlfunktionen. Jedoch, betont Renier am Schluss seines Referates, sei es alleine mit der Implementierung eines Energiecontrolling Systems nicht gemacht: «Das System muss auch betrieben werden».

Auf der Suche nach einem nachhaltigen Lebensstil

Den inhaltlichen Abschluss der Veranstaltung machte Andreas Hofer, Geschäftsleiter Baugenossenschaft mehr als wohnen. Er ist der Überzeugung, dass unsere Gesellschafft «verfettet». Seit Jahren seien wir am Energie sparen wie verrückt, aber in der Summe passiere nicht viel. Vom Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft seien wir sehr weit entfernt. Hofer möchte den Performance Gap umkehren und gemeinsam nach einem nachhaltigen Lebensstil suchen. «Es mag sein, dass Einfamilienhäuser ihre Grenzwerte durchschnittlich einhalten – sie sind trotzdem ein Unfug», meinte Hofer und ergänzte: «dabei geht es nicht um den Energieverbrauch pro Quadratmeter, sondern um die gesamte Infrastruktur, die dahinter steckt und um die Mobilitätsfolgen, die diese Entwicklung mit sich bringt».

Disskussion zum Thema wichtig

Mit der Podiumsdiskussion des zweiten Blocks endete die Veranstaltung. Mit der Frage: «Welcher Wunsch muss in Erfüllung gehen, damit wir in zwei Jahren keinen Performance Gap mehr haben?» liess Menti alle drei Referenten noch einmal zu Wort kommen. Während Renier sich wünschte, dass Energiecontrolling als Thema prominenter positioniert und als eigene Disziplin angesehen wird, wünschte sich Hofer, dass sich die Gesellschaft gemeinsam entscheidet, was sie machen möchte. Gyalistras hingegen will den Performance Gap gar nicht weg haben. Viel mehr wünscht er sich eine gute Diskussion darüber.

Im Anschluss an die Veranstaltung waren alle Teilnehmer zu einem Apéro eingeladen. Als Apéro-Sponsoren traten die Enastra AG und die m+p (Schweiz) AG auf. Vor Ort mit einem Infopoint präsent waren die Partner BELIMO Automation AG und Joulia SA, die die Veranstaltung unterstützten. Der Anlass wurde durch den Fachverein Gebäudetechnik und Energie SIA FGE, den Schweizerischen Verein von Gebäudetechnik-Ingenieuren (SWKI), die Hochschule Luzern – Technik & Architektur und EnergieSchweiz finanziert.